0699 - 121 69 080  2442 Unterwaltersdorf, Wienerstrasse 17

Personzentriert

Die Grundhaltung im Personzentrierten Ansatz

Die Grundhaltung im Personzentrierten Ansatz wird von einem grundlegenden Axiom geleitet, der Aktualisierungstendenz, als die einzige und wesentliche Motivation zur Veränderung. Sie besagt:
„…dass das Individuum in sich die latente, wenn nicht offene Fähigkeit und Neigung hat, sich vorwärts auf psychische Reife hin zu entwickeln. Diese Tendenz wird in einem angemessenen psychologischen Klima frei, wird aktualisiert, anstatt potentiell zu bleiben.“ (Rogers, Entwicklung der Persönlichkeit, S. 49)
Rogers fand keinerlei Evidenz für eine angeborene destruktive Tendenz, noch eine Notwendigkeit, die menschliche Natur zu kontrollieren. Er fand vielmehr, dass man eine positive Kraft im Individuum erschließen kann, die ihrer Natur nach konstruktiv und entwicklungsorientiert ist und die er Aktualisierungstendenz nannte. Ein weiteres Charakteristikum des Personzentrierten Ansatzes ist, dass er nicht nach dem medizinischen Modell ausgerichtet ist und daher nicht nach einer Pathologie Ausschau hält, daraus eine Diagnose entwickelt und daraus die Behandlung ableitet. Der Personzentrierte Ansatz ist ein Modell, das auf persönlichem Wachstum und Entwicklung gründet, eines, das versucht, Wachstum und Entwicklung freizusetzen. Aufbauend auf dieser Grundhaltung und untrennbar damit verbunden sind die förderlichen Bedingungen für die Aktualisierung von Persönlichkeitsentwicklung.
„Es gibt allen Grund, anzunehmen, dass die therapeutische Beziehung nur einen Fall zwischenmenschlicher Beziehungen darstellt, und dass die gleiche Gesetzmäßigkeit alle sozialen Beziehungen regelt“. (Rogers, Entwicklung der Persönlichkeit, S. 50)
In seiner umfassenden Hypothese über zwischenmenschliche Beziehungen findet sich dann auch die Annahme, dass Gespräche und Beziehungen, die von einer besonderen Feinfühligkeit getragen sind, nicht nur für Klienten in der Psychotherapie hilfreich sind und heilsam wirken. Sie können grundsätzlich für die Persönlichkeitsentwicklung eines jeden Menschen förderlich sein und erleichtert ganz wesentlich den Umgang und die Beziehungen zwischen Menschen in Familie und Beruf. Auf der Grundlage des Personenzentrierten Ansatzes wurden Erfolge in vielen Bereichen erzielt:
Im pädagogischen Bereich wie Schulunterricht, Erwachsenenbildung, Elternbetreuung und für sonder- und heilpädagogische Situationen;
im medizinisch-pflegerischen Bereich wie ärztliche Behandlung, Krankenpflege,
im wirtschaftlichen Bereich wie in der Personalberatung und Mitarbeitermotivation;
in verschiedenen Bereichen der Beratung und Supervision.

Rogers Modell scheint in jeder Situation, in der persönliches Wachstum ein Teil des erwünschten Zieles ist, eine Hilfe zu sein und einen Beitrag zu leisten.
Um es gleich vorweg zu nehmen, bin ich ebenfalls wie Rogers zu der Überzeugung gelangt,
„dass die therapeutische Beziehung nur einen Fall zwischenmenschlicher Beziehungen darstellt, und dass die gleichen Gesetzmäßigkeit alle sozialen Beziehungen regelt. Es erscheint also sinnvoll anzunehmen, dass das Kind dann selbstständiger, sozial angepasster und reifer wird, wenn ein Elternteil mit seinem Kind ein psychologisches Klima wie das hier beschriebene herstellt.“ (Rogers, Entwicklung der Persönlichkeit, S. 50)
Mit dem angemessenen psychologischen Klima, welches ich als Therapeut oder Pädagoge anbiete, wieder und wieder herstellen und erhalten sollte, entsteht ein förderliches psychologisches Klima für hilfreiche Beziehungserfahrungen.

Einen wesentlichen Aspekt dieses Klima kann ich anbieten, indem ich mich ehrlich verhalte, dies auch auszudrücken vermag und so Realität biete, so dass auch der andere nach der Realität in sich suchen kann. Rogers stuft diese Realität als erste Bedingung als höchst wichtig ein, indem er sagt:
„Ich habe herausgefunden, dass eine Beziehung um so hilfreicher sein wird, je ehrlicher ich mich verhalten kann. Das meint, dass ich mir meiner eigenen Gefühle soweit wie möglich bewusst sein muss. Es führt zu nichts, die äußere Fassade einer Einstellung zu zeigen, die ich auf einer tieferen oder unbewussten Ebene gar nicht habe. Ehrlichkeit meint außerdem noch die Bereitschaft, sich in Worten und Verhalten zu den verschiedenen in mir vorhandenen Gefühlen und Einstellungen zu bekennen und sie auszudrücken.“ (Entwicklung der Persönlichkeit, S. 47).

Meine Hypothese zur Personzentrierten Grundhaltung

Meine Hypothese zur Personzentrierten Grundhaltung
Eine Personzentrierte Grundhaltung (welche unter anderem die drei therapeutischen Variablen Kongruenz/Echtheit, Empathie/einfühlendes Verstehen und Akzeptanz/wertschätzender Anteilnahme enthält) hilft, ein entwicklungsförderliches pädagogisch-therapeutisches Milieu zu schaffen, in welchem traumatisierte Kinder und Jugendliche neue Erfahrungen in Bezug auf persönliche und soziale Beziehungen erleben können.

Eine Personzentrierte Grundhaltung erleichtert im pädagogischen Alltag den Aufbau von tragfähigen Beziehungen, bereitet den Boden für Partizipation und Transparenz, schafft ein angstfreies Klima, wahrt die Würde der jungen Menschen auch in schwierigen Situationen und ist Basis für die Persönlichkeitsentwicklung und Nachreifung.

In der vorliegenden Arbeit beschäftige ich mich mit der Frage, inwieweit es Überschneidungen zwischen Traumapädagogik und Personzentrierter Psychotherapie und den ihnen zu Grunde liegenden Haltungen gibt.

3.1. Definition der Personzentrierten Grundhaltung
Was gehört nun außer den drei zuvor genannten „Core Conditions“ zur „Personzentrierten Grundhaltung“? Dazu gehören zusätzlich noch drei Bedingungen für Persönlichkeitswachstum, welches sich aus einer hilfreichen Beziehung entwickeln kann. Wichtige Aspekte dabei sind das Menschenbild und die Non-Direktivität bzw. Absichtslosigkeit, auf die ich ebenfalls eingehen werde.

Die „Core Conditions“ bzw. „Die notwendigen und hinreichenden Bedingungen“
Zwei Personen befinden sich in psychologischem Kontakt.
Die erste, die wir Klient nennen werden, befindet sich in einem Zustand der Inkongruenz, ist verletzbar oder ängstlich.
Die zweite Person, die wir Therapeut nennen werden, ist kongruent oder integriert in der Beziehung.
Der Therapeut empfindet eine bedingungslose positive Zuwendung dem Klienten gegenüber.
Der Therapeut empfindet ein empathisches Verstehen des inneren Bezugsrahmens des Klienten und ist bestrebt, diese Erfahrung dem Klienten gegenüber zum Ausdruck zu bringen.
Die Kommunikation des empathischen Verstehens und der bedingungslosen positiven Zuwendung des Therapeuten dem Klienten gegenüber wird wenigstens in einem minimalen Ausmaß erreicht.
Die erste Bedingung ist besonders hervorzuheben, da sie eine Vorbedingung ist, ohne die die übrigen Bedingungen keine Bedeutung hätten. Sie gibt an, dass ein Minimum an Beziehung, ein psychologischer Kontakt, vorhanden sein muss. Rogers stellt zusätzlich noch die Hypothese auf, dass eine positive Persönlichkeitsveränderung von Bedeutung nur in einer Beziehung zustande kommt. Rogers hebt dies besonders hervor:
„Keine anderen Bedingungen sind notwendig. Wenn diese sechs Bedingungen gegeben sind und über eine bestimmte Zeitspanne hinweg andauern, ist dies hinreichend. Der Prozess der Persönlichkeitsentwicklung wird folgen.“ (Person-zentriert, S. 169)

Diese sechs Bedingungen, in der Personzentrierten Psychotherapie bekannt als „Die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für Persönlichkeitsentwicklung durch Psychotherapie“ (von Rogers im Jahre 1959 veröffentlicht in „Eine Theorie der Psychotherapie, der Persönlichkeit und der zwischenmenschlichen Beziehungen“, 1959a).

Das Personzentrierte Menschenbild
Die Personzentrierte Psychotherapie beruft sich von Anfang an bewusst auf ein bestimmtes Menschenbild, woraus sich eine Bandbreite psychotherapeutischer Auffassungen ergibt, also wie der Mensch gesehen werden soll. Wir fragen nicht wie bei einem Objekt „Was?“ ist der Mensch, sondern aus der Beziehung heraus „Wer bist du?“. Wir fragen nach der Person eines Menschen und meinen als Person immer jemand Einzigartigen. Der Mensch wird nicht als Objekt behandelt und beobachtet, dem Menschen wird als Person begegnet. Es wird keine Deutung über den Menschen gemacht, der Mensch wird einfühlend verstanden. (P.F. Schmid, 1997)
Die Grundlage für alles, was wir tun, ist unsere Vorstellung davon, wie wir als Menschen sind und „funktionieren“. Dieses Menschenbild leitet als Teil unseres Weltbildes – bewusst oder nicht bewusst – unser Handeln. Wir gehen von Annahmen darüber aus, was und wie wir Menschen sind (Anthropologie), warum wir so und nicht anders handeln (Motivationstheorie), wie wir uns entwickeln und verändern (Persönlichkeitstheorie), wie wir zu anderen in Beziehung stehen (Beziehungstheorie), wie und warum es zu psychischen „Störungen“ bzw. Leidensprozessen kommt (sogenannte Krankheitslehre/Störungslehre) und wie man einander helfen oder, allgemeiner gesagt, einander beeinflussen kann (Therapietheorie). (P.F. Schmid, Gesprächspsychotherapie, S. 34)
In Form von Annahmen ausgedrückt:
Der Mensch steht in einem andauernden Prozess der Veränderung und besitzt die Fähigkeit, sich in Richtung größerer Reife und seelischer Funktionsfähigkeit zu entwickeln (Selbstverwirklichungstendenz).
Er ist fähig, aktiv zu sein und selbst die Verantwortung für seine Ideen, Gefühle und Handlungen zu übernehmen (Selbstverantwortlichkeit, Eigenaktivität),
sich von „innen“, von   seiner „gefühlsmäßigen“ Basis her zu verstehen und zu steuern (emotionale und soziale „Intelligenz“) und
für seine im Leben auftretenden Probleme eigene Ressourcen zu aktivieren und angemessene Lösungen zu entwickeln (Selbstregulierung, Selbstheilungstendenzen).

Ein wichtiger Aspekt der „Core Conditions“ ist die Non-Direktivität.

Non-Direktivität
Bezeichnung für eine Vorgangsweise innerhalb der Klientenzentrierten Psychotherapie nach C. Rogers, bei der die Psychotherapeutin und der Psychotherapeut sämtliche Direktiven sowie kontrollierende und lenkende Aktivitäten unterlässt. Die therapeutische Beziehung ist so strukturiert, dass die inhaltliche Gestaltung, die Ziele und die Entwicklung des Prozesses in der Verantwortung des Klienten sind. Die nichtdirektive Einstellung betont das Recht jedes Individuums, psychisch unabhängig zu bleiben und seine psychische Integrität zu erhalten. Die therapeutische Praxis ist gekennzeichnet durch eine permissive Beziehung in einem eindeutig strukturierten Setting, in der dirigistische Formen der Gesprächsführung vermieden werden, die die Autonomie des Klienten ver- oder behindern (Vermeiden von Ratschlägen, Interpretationen, „Ausfragen“, Diagnosen, Instruktionen, engen Fragen und längeren Äußerungen etc.). Wörterbuch der Psychotherapie S. 466-467

Non-Direktivität seitens des Therapeuten ist Ausdruck der Wertschätzung und Akzeptanz gegenüber dem Klienten, dem damit direkt oder indirekt gezeigt wird, dass niemand anderer Experte für sein Leben ist als der Klient selbst. Sie ist deshalb auch eine Form der Beziehungsgestaltung und eine Art und Weise des praktischen Vorgehens. Prozesssteuernde Aktivitäten, Ratschläge, Diagnosen und Anweisungen bzw. Verordnungen werden vermieden. Der Klient wird dadurch mehr und mehr selbst in der Lage sein, seine Ziele zu erkennen, seine Wahlmöglichkeiten zu erkennen und sich auch gemäß seiner eigenen Fähigkeiten darauf hin zu entwickeln. Non-Direktivität, im Sinne von Absichtslosigkeit auf Seiten des Therapeuten heißt aber nicht, dass es sich dabei um eine passive Haltung gegenüber dem Klienten handelt. Der Therapeut ist sich auch seines Einflusses, den er auf den Klienten hat, bewusst.
Die non-direktive Haltung des Therapeuten entspringt und korreliert mit folgenden Grundannahmen:
Vertrauen in den Klienten und die Aktualisierungstendenz
aus dem Vertrauen resultierende Freiheiten
„Person“ statt „Patient“ - Klient und Therapeut begegnen sich als Personen
die Klientin / der Klient als die „Kundige“ / der „Kundige“, die „Expertin“ / der „Experte“ seiner Existenz
der Glaube an die Einzigartigkeit des Individuums
die Therapeutin / der Therapeut als einfühlende und verstehende Begleitperson
die behutsame Qualität der therapeutischen Antworten
Non-Direktivität als Ausdruck des Vertrauens in die hilfreiche Beziehung als alleinigen Wirkungsfaktor
Non-Direktivität als Ausdruck der Core Conditions

Im Gegensatz zum Non-Direktiven Verhalten stellt Schmid (1989) folgende Verhaltensweisen als direktiv vor und fasst deren Gemeinsamkeiten als „nicht-respektieren des emotionalen Erlebens des Gesprächspartners“ zusammen (Schmid, 1989, 70) :
Ratschläge erteilen
Drängen
Moralisieren
Dogmatisieren
Diagnostizieren
Interpretieren
Nachforschen
Generalisieren
Identifizieren
Partei ergreifen
Hinwegtrösten
Dramatisieren
Bemitleiden
Bloß inhaltliches bzw. problembezogenes Reagieren
Suggerieren

Die Aktualisierungstendenz
Mit dem Begriff der Aktualisierungstendenz ist die jedem Organismus (somit auch dem Menschen) innewohnende Tendenz zur Entwicklung all seiner Möglichkeiten, die der Erhaltung
oder Entfaltung des Organismus dienen gemeint. Dies umfasst auch die Ausdifferenzierung seiner Fähigkeiten, Erweiterung im Sinne von Wachstum und ein Streben nach Autonomie.
Grundlegend für das Menschenbild des Personzentrierten Ansatzes ist die Annahme einer
Aktualisierungstendenz als Entwicklungsprinzip, als Prinzip der Selbstorganisation und einzige motivationale Kraft. Das Wachstum dieser dem Menschen innewohnenden Kräfte wird durch die Erfahrung einer vertrauensvollen Beziehung gefördert. Das Erlebnis personaler Begegnung trägt wesentlich zur Entwicklung der Person bei (Schmid 1989, 100).
Der Begriff „bezeichnet die dem Organismus innewohnende Tendenz zur Entwicklung all seiner Möglichkeiten; und zwar so, dass sie der Erhaltung oder Förderung des Organismus dienen.“ (Roger 1959a, 21)
Über sie schreibt Rogers, dass
„diese grundlegende Aktualisierungstendenz das einzige Motiv ist, welches in diesem theoretischen System als Axiom vorausgesetzt wird.“ (Rogers 1959a, 22).

Das Konzept geht auf die „organismische Theorie der Selbstverwirklichung“ von Kurt Goldstein zurück. Es ist das einzige Axiom des Ansatzes. Es ist ein philosophisches und kein psychologisches Konstrukt. Es zählt zum anthropologischen Fundament des Ansatzes und kennzeichnet dessen Auffassung von der Natur des Menschen. In diesem Kontext wird zum Beispiel kein Aggressionstrieb angenommen. Destruktive Aggressionen werden als reaktive, sekundäre Phänomene aufgefasst.
Hinweise aus den modernen Naturwissenschaften und der Systemtheorie legen übrigens nahe, dass Systeme spezifische Eigenschaften der Art haben, wie sie oben beschrieben sind. Von besonderem Interesse dabei ist – speziell für die Psychotherapie -, dass dieses Wachstums-Streben nicht von außen erzeugt werden kann und dass die Richtung nicht von außen gesteuert werden kann. Hier trifft sich die existenziell-humanistische Idee vom Menschen als Schöpfer seiner Existenz mit dem konstruktivistischen Paradigma, insofern es die externe Systemsteuerung zugunsten einer
Anstiftung zur Selbstorganisation fallen lässt.
Im Sinne einer universellen Gültigkeit (also über den organismischen Bereich hinaus) des Axioms der Aktualisierungstendenz hat Rogers (1979) von einer formativen Tendenz gesprochen.
Hier wird eine Art Tendenz zu psychischer Evolution angenommen, deren Vorhandensein sich aus der Erfahrung und Analyse von Psychotherapien, Selbsterfahrungsgruppen und generell menschlichem Beziehungsverhalten ableitet, und diese wird als einzige Grundlage und formative Kraft in der Entwicklung von Individuen, Gruppen und vielleicht sogar Kulturen vermutet.

Zum näheren Verständnis der Aktualisierungstendenz muss das theoretische System, das ihren Kontext bildet, näher ausgeführt werden.
Selbst
Als Selbst bezeichnet man die Sichtweise einer Person auf sich selbst.
Selbstaktualisierung
Ein Bestandteil der Aktualisierungstendenz ist die Selbstaktualisierung. Die Selbstaktualisierung ist daher jener Bruchteil der Aktualisierungstendenz, der die Entfaltung des Selbst vorantreibt.
Erfahrung
Die Erfahrung, die die Aktualisierungstendenz als Information für die gesamte organismische Entfaltung benutzt, könnte man als ihr Rohmaterial verstehen. Diese kann verleugnet, verzerrt oder aber korrekt symbolisiert werden.
Inkongruenz
Der Ursprung von Verleugnung und Verzerrung von Erfahrungen wird in einer Inkongruenz bzw. einem Widerspruch zwischen der gesamten Aktualisierungstendenz und der Selbstaktualisierung gesehen. Bestehen Widersprüche zwischen Selbst und Erfahrung, so steht die Person unter Spannung. Es kostet Kraft, Erfahrungen, die das Selbstbild gefährden, abzuwehren, und gleichzeitig möchte das Bedürfnis, man selbst zu sein, befriedigt werden.
Gefühle
Gefühle färben Erfahrungen und geben ihnen persönliche Bedeutung.
Gewahrwerdung
Von Erfahrungen oder Gefühlen, die weder verleugnet noch verzerrt werden, wird gesagt, dass sie der Gewahrwerdung zugänglich sind.
Bewusstsein und Symbolisierung
Bewusstsein wird in Folge als symbolische, nicht notwendigerweise verbale Repräsentation oder Symbolisierung eines Teiles der Erfahrung der Person aufgefasst. Die Klarheit und Funktionalität einer Symbolisierung kann in ihrer Deutlichkeit von unterschwelliger Wahrnehmung bis zu exakter Symbolisierung reichen.
Selbsterfahrung
Als Selbsterfahrung bezeichnet man jene Erfahrungen, auf denen aufbauend das Selbst organisiert wird.
Selbstkonzept
Das Selbst wird, wenn ein Beobachterstandpunkt von außen eingenommen wird, manchmal auch als Selbstkonzept bezeichnet. Idealselbst nennt man eine weitere Substruktur des Selbst, nämlich jenes Selbstkonzept, dass eine Person am liebsten wäre.
Störungslehre
Als problematische bis pathologische Entwicklungen verursachend werden Inkongruenzen zwischen Selbst und Erfahrung gesehen. In Folge werden Informationen aus der Erfahrung, die mit dem Selbstkonzept nicht vereinbar sind, verzerrt und verleugnet. Solche Erfahrungen treffen dann auf Abwehrverhalten des Organismus, was eine korrekte Symbolisierung verhindert. Man sagt, es besteht eine psychische Fehlanpassung. In Folge treten Gefühle der Angst und Bedrohung in Bezug auf Erfahrungen auf, die diffus als unvereinbar mit der Selbststruktur wahrgenommen werden, und die Verletzlichkeit der Person steigt. Die Person beginnt sich immer intensionaler zu verhalten, worunter eine Tendenz verstanden wird, Erfahrungen zu verabsolutieren, Erfahrungen und Bewertungen zu verwechseln und generell immer rigider zu werden. Im Extremfall – wenn das Abwehrverhalten plötzlich und massiv durch ein Gewahrwerden der das Selbstkonzept gefährdenden Erfahrungen überwunden wird – kann es zur Desorganisation des Selbst, einem Zusammenbruch der Selbststruktur kommen, die als ein letzter Versuch der Aktualisierungstendenz gedeutet werden kann, ihre zerspaltenen, inkongruenten Anteile wieder zu vereinigen.
Entwicklungsziel
Es ergibt sich auch ein Konzept für gesunde Personen. Diese zeichnen sich durch Kongruenz von Selbst und Erfahrung aus. Die resultierende Form des Verhaltens wird auch als ganz, echt, authentisch, reif oder integriert bezeichnet. Eine solche Person ist erfahrungsoffen – denn sie hat nicht das Gefühl, manche ihrer Erfahrungen abwehren zu müssen. Sie ist psychisch ausgeglichen – Selbst und Erfahrung stimmen überein. Schließlich ist sie noch extensional – sie beurteilt ihre Erfahrungen differenziert.
Beziehung
Sowohl gesunde als auch pathologische Entwicklungen finden aus Personzentrierter Sicht in und durch Beziehungen statt. Statt des Wortes „Beziehung“ wurde dafür aber der Begriff Kontakt gewählt.
Bedürfnis nach positiver Beachtung
Kontakt kommt zustande, weil Personen ein Bedürfnis nach positiver Beachtung haben. Werden Selbsterfahrungen nicht danach unterschieden, ob sie der positiven Beachtung mehr oder weniger würdig sind, bezeichnet man dieses Erleben als bedingungslose positive Beachtung. Durch Beziehungen, die dieses Bedürfnis mehr oder weniger erfüllen, entstehen einerseits Bewertungsbedingungen, die sich in einem Bewertungskomplex organisieren, andererseits die Fähigkeit zu positiver Selbstbeachtung, unter Umständen sogar bedingungsloser positiver Selbstbeachtung.
Die letzteren beiden Erlebensformen entstehen durch die Übertragung der Erfahrung positiver oder bedingungslos positiver Beachtung in Beziehungen zu signifikanten Anderen auf die Beziehung zu sich selbst, was zu erhöhter Autonomie führt – denn die Person erlebt sich selbst als den Ort der Bewertung der Nützlichkeit bestimmter Erfahrungen für den Organismus und „wird so ihr eigenes signifikantes soziales Gegenüber“ (Rogers 1959a, 36). Bewertungsbedingungen andererseits äußern sich dadurch, dass bestimmte Erfahrungen nur mehr deswegen angestrebt oder vermieden werden, weil dadurch die positive Beachtung anderer gesichert werden könnte. Ob diese Erfahrungen der Entfaltung und dem Wachstum des Organismus als Ganzes dienen, wird weniger wichtig – was zu erhöhter Heteronomie führt.
Empathie
Wichtig zum Verständnis der Personzentrierten Theorie ist schließlich die Empathie – worunter die Fähigkeit des einfühlenden Verstehens in den inneren Bezugsrahmen eines anderen verstanden wird, ohne sich mit diesem zu identifizieren.
Präsenz
Wenn Empathie, Kongruenz und bedingungslose positive Beachtung in sich gegenseitig bedingender Weise erlebt werden, bezeichnet man diese Erfahrung als Präsenz. Bei einem anderen, mit dem die Person, die die Präsenz erfährt in Kontakt ist, löst diese einen Prozess aus, der zu erhöhter Kongruenz führt, verbesserter Kommunikation, positiver Selbstbeachtung usw. Es ist dieser Prozess, der in Psychotherapien, aber auch Selbsterfahrungsgruppen zur Freisetzung und Einigung der Aktualisierungstendenz genutzt wird – und möglicherweise mehr oder weniger in jeder konstruktiven Form menschlicher Beziehungen wirkt.

Wird die Aktualisierungstendenz so entfaltet, dass eine Person sich selbst nicht mehr zu verleugnen braucht und Vertrauen in den eigenen inneren Kern besitzt, dann ist ihr Verhalten konstruktiv „(...) nicht immer konventionell und konform, sondern individualisiert, aber immer auch sozialisiert.“ (Rogers 1983, 112).
Persönlichkeitsentwicklung und Lernen geschehen von Geburt an und das ganze Leben lang durch Kontakt und in Beziehung zu Mitmenschen. Ein günstiger Verlauf des persönlichen und beruflichen Entwicklungsprozesses hängt entscheidend von der Qualität der Beziehungen ab. (Weiter-) Entwicklung und Lernen sind als dynamische Selbstorganisationsprozesse in Beziehungen zu verstehen. Die Qualität des Entwicklungsklimas und der Umgebungsbedingungen ist zentral für die Förderung bzw. Behinderung der Selbstaktaktualisierung der Person. Die Aktualisierungstendenz kann durch schmerzliche Beziehungserfahrungen blockiert, jedoch nie eliminiert werden. Diese angeborene Aktualisierungstendenz meint eine Gerichtetheit, die sich in allem organischen und menschlichen Leben zeigt.

3.2. Die Personzentrierte Grundhaltung in der Pädagogik
Die Grundsteine der Personzentrierten Haltung im pädagogischen Betreuungsalltag bedeuteten für mich:
Beziehungsangebot: Ich habe Kontakt mit dem Kind oder Jugendlichen, ich bin in Beziehung. Ich halte die Beziehung lebendig indem ich trotz immer wieder vorkommender Verfehlungen des Kindes immer wieder mein Beziehungsangebot erneuere.
Vertrauen auf die motivationale Kraft der Aktualisierungstendenz des Kindes, Hilfestellung und Unterstützung geben im Verbund mit Offenheit, Transparenz und Partizipation bedeutet für mich: Keine Therapie als Erziehungsmaßnahme und keine Erziehung als Therapie.
Kongruenz: Ich bin ehrlich, authentisch und echt. Ich agiere nicht aus einer Machtposition heraus und behandle die Jugendlichen respekt- und würdevoll. Dieses zeige ich auch gegenüber dem gesamten Team und auch gegenüber den Eltern und den Amtspersonen (Aufsichten).     
Empathie: Ich versuche durch einfühlendes Verstehen die Situation der Jugendlichen durch ihre Augen zu sehen. Wenn sich ein Jugendlicher an mich wendet bekommt er die volle Aufmerksamkeit, wenn ich keine Zeit habe sage ich das und bin zum vereinbarten späteren Zeitpunkt verbindlich zur Stelle und präsent. Der Jugendliche kann sich immer an mich wenden und mit mir über seine Bedürfnisse sprechen. Ich bohre nicht nach und beobachte feinfühlig, auf die Bedürfnisse der Jugendlichen achtend.
Akzeptanz: Die Jugendlichen können sich auf meine Haltung verlassen. Grundsätzlich bin ich akzeptierend und achte auch auf meine Bedürfnisse und Grenzen und teile diese mit. Auch wenn es mehrere Anläufe braucht setze ich nur in äußersten Notfällen meine Autorität ein. Ich achte die Würde jedes Jugendlichen, auch wenn er sich nicht dementsprechend verhält.
Das Kind oder der Jugendliche fühlt sich vom Pädagogen akzeptiert und verstanden und entwickelt immer offenere und angstfreie Kommunikation und erfährt sich dadurch in neuen Beziehungserfahrungen.
Rogers hat bereits 1957 die notwendigen und hinreichenden Bedingungen für Therapie aufgestellt und die Effektivität dieser Bedingungen wurde ausführlich erforscht, und zwar in Hinblick auf die unterschiedlichsten Arten von Klientinnen und Klienten in der Psychotherapie aber auch im Feld der Schule und Erziehung. Diese Forschungen zeigen, wie in der Therapie mehr Lernen über und aus sich selbst unter diesen Bedingungen geschieht und auf diese Art auch mehr inhaltlich Wichtiges, mehr Mathematik, besser Lesen usw. gelernt wird, wenn diese Haltung verwirklicht wird. Eine Besonderheit dieser Haltung ist empathisches Verstehen der Schülerinnen seitens der Pädagoginnen und das Nachfragen inwieweit sich diese wirklich verstanden fühlen, in welchem Ausmaß ihnen gegenüber sie als wirklich echt und kongruent wahrgenommen und Respekt und Anteilnahme gezeigt werden. Hier beziehe ich mich vor allem auf die von Anne-Marie Tausch und Reinhard Tausch dargestellten Studien (Erziehungspsychologie: Begegnung von Person zu Person. Göttingen: Hogrefe Verlag, 1998).

Ein klares Menschenbild

Der Personzentrierten Haltung liegt ein klares Menschenbild zugrunde. Der Mensch ist (Lietaer 2008, in Stumm, Menschenbilder in der Klientenzentrierten Psychotherapie, S. 3f.):
ein pro-aktives Wesen, mit einer Tendenz zur Aktualisierung,
mit einem selbststeuernden Potenzial (gerade auch im psychotherapeutischen Prozess),
selbstbestimmt und, innerhalb bestimmter Grenzen, ausgestattet mit einem freien Willen, daher auch selbstverantwortlich,
-nach sozialem Kontakt und Zugehörigkeit strebend („pro-sozial“),
-in seiner innersten Natur vertrauenswürdig und konstruktiv,
-damit aber auch in einem existenziellen Spannungsfeld von Autonomie und interpersonellen Beziehungen.

Ein Menschenbild ist "eine von bestimmten Fakten und/oder Vorstellungen ausgehende bzw. in den Rahmen bestimmter wissenschaftlicher oder weltanschaulicher Methoden- oder Denksysteme gefügte Betrachtung oder Abhandlung über den Menschen." (Meyer, 1976, S. 64).

„Haltung“ braucht förderliches System

Die Grundhaltung des Personzentrierten Ansatz beruht auf dem Menschenbild, bei dem der Mensch mit seinen höchst persönlichen Bedürfnissen im Mittelpunkt steht und dem Vertrauen auf die Aktualisierungstendenz, welche durch die sechs notwendigen und hinreichenden Bedingungen in der Personzentrierten Psychotherapie gefördert wird. Diese Bedingungen wirken auch in einer Beziehung zwischen einer Pädagogin und dem „zu erziehenden“ Kind und seinen Eltern entwicklungsfördernd und unterstützen die Entfaltung der Persönlichkeit.
Das Hauptanliegen von Rogers lautet:
„(…) die einzige Absicht, die wir bei der Beachtung des kindlichen Verhaltens verfolgen, ist, einen Verstehensprozess für dieses Verhalten in Gang zu bringen.“
(Rogers 1939, S. 12; Übersetzung in Reisel 2001b)

Dazu ein Beispiel aus eigener Praxis als Betreuer von Jugendlichen bei mir zu Hause:
Das „Herstellen“ von Beziehung gelang in erster Linie durch meinen therapeutischen Personzentrierten Zugang zur leidenden Person und dem übernommenen Auftrag, für diese Sorge zu tragen. Dafür wurden mir (meine Frau und ich) auch seitens der für uns zuständigen Organisation mit finanziellen Mitteln versorgt und entsprechendem Unterstützungspersonal ausgestattet. Der Rahmen war also klar und so konnten wir, ungeachtet anderer Notwendigkeiten, unsere Zeit, unser Haus, den Garten, unsere Haustiere und unseren gesamten Lebensraum mit den bei uns eingezogenen Jugendlichen teilen. Es gab von Anfang an keine Hausordnung oder Regeln, diese ergaben sich aus dem Zusammenleben und den Bedürfnissen jedes einzelnen Mitbewohners und wurden gemeinsam vom ersten Tag an erkundet. Dazu ausführlicher im Praxisteil mit einem Beispiel.

Meine späteren Ausführungen im Praxisteil sollen verdeutlichen, dass es mir in der Erziehung, so wie Rogers im therapeutischen Tun, nicht darum ging, unmittelbar konkrete Verhaltens- oder Lösungsstrategien zu erarbeiten, sondern das Ziel bestand darin:
„(…) ein höheres Maß an Integration und Selbstwahrnehmung zu entwickeln. Wahrscheinlich liegt der wesentliche Wert dabei in der neuen Sichtweise der Verlässlichkeit auf die eigene individuelle Tendenz, die dem Wachstum entgegenstrebt.“
(Rogers 1939, S. 200; Übersetzung in Reisel 2001b)

Grundkonzepte der Psychotherapie und der Personzentrierten Psychotherapie

4.1. Was ist Psychotherapie
Das Psychotherapiegesetz liefert eine klare Definition darüber, was und wofür Psychotherapie steht und wie eine Psychotherapeutin und ein Psychotherapeut zu handeln hat. Das Psychotherapiegesetz gilt in ganz Österreich.
Im § 1. (1) des Psychotherapiegesetzes findet sich unter der Berufsumschreibung eine klare Definition: Die Ausübung der Psychotherapie im Sinne dieses Bundesgesetzes ist die nach einer allgemeinen und besonderen Ausbildung erlernte, umfassende, bewusste und geplante Behandlung von psychosozial oder auch psychosomatisch bedingten Verhaltensstörungen und Leidenszuständen mit wissenschaftlich-psychotherapeutischen Methoden in einer Interaktion zwischen einem oder mehreren Behandelten und einem oder mehreren Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten mit dem Ziel, bestehende Symptome zu mildern oder zu beseitigen, gestörte Verhaltensweisen und Einstellungen zu ändern und die Reifung, Entwicklung und Gesundheit des Behandelten zu fördern.

4.2. Was ist Personzentrierte Psychotherapie
Die Personzentrierte Psychotherapie wurde vom amerikanischen Psychologen und Psychotherapeuten Carl R. Rogers (1902–1987) in Abgrenzung zu direktiven und interpretativen Vorgangsweisen in Beratung und Psychotherapie entwickelt. Ihr liegt die Überzeugung zugrunde, dass der Mensch über ein ihm innewohnendes Potenzial zur Persönlichkeitsentwicklung und konstruktiven Gestaltung seines Lebens verfügt, welches sich in Begegnung von Person zu Person entfalten kann. Dies ist in der therapeutischen Beziehung unter der Voraussetzung möglich, dass Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten in weitgehender Übereinstimmung mit ihrem eigenen Erleben stehen und ihre Wertschätzung für die Klientin/den Klienten nicht an Bedingungen geknüpft ist. Diese erleben fortwährend eine respektvolle und einfühlende Zuwendung zu ihren eigenen Problemen und Gefühlen. In dieser Atmosphäre der Sicherheit können sie angstfrei und offen ihre Probleme besprechen und intensiv ihre Erfahrungen klären. So werden seelische Belastungen, Ängste und Probleme vermindert, Symptome abgebaut; schrittweise entwickelt sich Selbstachtung und ein positives Selbstbild.
Durch die Aktivierung der eigenen inneren Ressourcen und Energien wird es möglich, sich in Richtung größerer Reife zu entwickeln, für im Leben auftretenden Probleme angemessene und befriedigende Lösungen zu schaffen sowie das Leben aktiv nach den eigenen Bedürfnissen und Werten zu gestalten.
Medium der Therapie ist das Gespräch und andere (körperliche, spielerische, kreative)
Ausdrucks- und Kommunikationsmöglichkeiten. Sie wird in Form von Einzeltherapie für
Erwachsene und Kinder sowie als Paar-, Familien- und Gruppentherapie durchgeführt.
Quelle: Patientinnen/Patienten-Information über die in Österreich anerkannten psychotherapeutischen Verfahren.

Termin buchen - Online Kalender

 0699 - 121 69 080  2442 Unterwaltersdorf, Wienerstrasse 17

Wir verwenden nur wenig und äußerst sparsam Cookies um unsere Website zu optimieren und Ihnen das bestmögliche Online-Erlebnis zu bieten. Mit dem Klick auf „Alle erlauben“ erklären Sie sich damit einverstanden. Weiterführende Informationen und die Möglichkeit, einzelne Cookies zuzulassen oder sie zu deaktivieren, erhalten Sie in unserer Datenschutzerklärung.